von Martin Sänger

Wer hätte das gedacht? Da bricht ein Virus aus und auf einmal versuchen sowohl die Unternehmen aber auch Redner und verwandte Berufe, die Versäumnisse der vergangenen Jahre aufzuholen. Ich kann mich noch sehr gut an viele Aussagen von Kolleginnen und Kollegen erinnern, die mir noch vor wenigen Wochen erklärten, dass sie dieses ganze Onlinezeug nicht brauchen. Auf einmal werden wir von der Realität überholt und müssen, ob wir wollen oder nicht, unser Business digitalisieren.
Das Gute an diesem Zwang ist, dass auch unsere Kunden mitziehen und offener für Technik, Ideen und Formate werden. Inzwischen ist auch ein Videocall in traditionellen Branchen salonfähig geworden.

Diese Entwicklung finde ich persönlich äußerst sinnvoll und gut, da ich selbst seit fünf Jahren online unterwegs bin. An der einen oder anderen Stelle muss ich schmunzeln, weil ich mich an die Schwierigkeiten und Verwirrungen, die ich jetzt bei anderen erlebe, noch so gut erinnern kann.
Doch was wird aus diesem Schwung, der technischen Aufrüstung und den ganzen Neuerungen, wenn wir endlich wieder in unser normales, freies Leben zurückdürfen? Ist das alles nur ein Strohfeuer oder werden wir unsere Kunden zukünftig nur noch per Video sehen?

Wie nachhaltig wird diese erzwungene Entwicklung sein?

An dieser Stelle kommt jetzt nicht die Kristallkugel, sondern eine Mischung aus Hoffnung, Befürchtung, Vermutung und Wunschdenken ins Spiel.
Meine Hoffnung besteht darin, dass wir es mit unseren Kunden hinbekommen, ein möglichst einheitliches Bild davon zu erhalten, wo uns die Technik sehr gut helfen und unterstützen kann. Die automatisierte Terminvereinbarung könnte so ein Thema sein, das hoffentlich auf Akzeptanz stößt. Ebenso, dass verschiedene Gespräche auch sehr gut online geführt werden können. Selbst Meetings mit mehreren Personen sind ja technisch wirklich gar kein Problem heutzutage. Auf diese Weise kann man auch zukünftig die Technik gezielt nutzen, um Zeit und Geld zu sparen.
Meine Befürchtung ist allerdings, dass es genügend Kunden geben wird, die eher aufatmen, wenn die momentane Situation vorbei ist und voller Erleichterung zu ihrer alten Arbeitsweise zurückkehren. Endlich nicht mehr dieses Homeoffice in dem man die Mitarbeiter ja nicht kontrollieren kann, endlich wieder persönliche Meetings, egal wie wichtig die Inhalte sind. Diese Befürchtung zeigt sich bereits, seit es erste Lockerungen gibt. Die „Back to normal“-Fraktion (was immer auch „normal“ ist) atmet auf und will völlig unverändert dort weitermachen, wo vor dem Virus aufgehört wurde. Vor allem bei der Arbeitsweise.

Wie kann denn unsere Arbeit als Redner, Trainer oder Coach in Zukunft aussehen?

Einige von uns haben, teils erschrocken, festgestellt, was inzwischen technisch machbar ist. Ein Video aufzunehmen oder gleich einen gesamten Videokurs und diesen im Netz verfügbar zu machen – dafür gibt es viele verschieden Angebote und mit etwas Einarbeitung ist auch die Technik gut beherrschbar. Auch die Zugriffskontrolle und die automatisierte Abrechnung, wenn jemand diesen Kurs kauft, sind inzwischen kein Hexenwerk mehr.
Natürlich gibt es hier auch noch genügend Stolpersteine die ich auch aus eigener Erfahrung kenne und vor denen ich meine Kunden gerne bewahre, doch im Großen und Ganzen sind die Systeme am Markt gut durchdacht und einfach beherrschbar.
Wenn man also einmal die Scheu überwunden hat, sich vor eine Kamera zu stellen und Videos zu drehen, dann könnte man sich überlegen, ob der Teil unserer Arbeit, bei dem es um die reine Vermittlung von Wissen geht, nicht auch zukünftig digital ablaufen könnte. Um es einmal provokant zu sagen: Es gibt kaum noch einen Grund, warum wir live in einem Schulungsraum stehen sollten, um dort reines Wissen zu transportieren.
OK, ich höre quasi beim Schreiben bereits, wie der eine oder andere Luft holt und mit den Argumenten der Interaktion und Dynamik um die Ecke biegen will. Hier sind wir aber bereits nicht mehr bei der reinen Wissensvermittlung. Ergänzen wir also unser Kursangebot durch Live-Videocalls, haben wir zumindest schon einmal die Interaktion wieder mit dabei. Virtuelle Gruppenräume und Kollaborationstools bieten die meisten Plattformen heute schon an. Also können wir auch hier einen guten Teil der Arbeit als Trainer oder Coach virtuell ausführen.

Zwei Fragen bleiben noch. Die eine lautet „Müssen wir gar nicht mehr zum Kunden?“ und die andere „Was machen reine Redner?“

Hier die Entwarnung: Doch, wir dürfen auch weiterhin in unserer Arbeit noch live zum Kunden, aber in der Mischform mit den Online Möglichkeiten deutlich weniger Tage.  Und das kann, wenn man einmal in Ruhe darüber nachdenkt, das Leben beider Seiten sehr erleichtern. Übungsteile und Analysen, die ein ausführliches Feedback benötigen, sind tatsächlich schwer über Monitore zu bewerkstelligen.
Also könnte ein hybrides Geschäftsmodell so aussehen, dass man einen Trainingstag durch die Kombination eines Onlinekurses mit Live-Calls ersetzt und lediglich zu einem Umsetzungstag mit Übungseinheiten noch zum Kunden fährt. Wenn diese Idee auch für manche Kunden noch sehr neu erscheint, so zeigen doch schon einige Kolleginnen und Kollegen, dass man damit genau so gute Ergebnisse erzielen kann wie mit der klassischen Form des Trainings.

Aber was machen denn reine Redner?

„Sich zu einem gewissen Grad umstellen“, ist die Antwort auf die Frage. Virtual Speaking wird sicher auch in Zukunft weiter ausgebaut werden. Das bedeutet für jeden, der normalerweise auf der Bühne steht, dass man gut überlegen muss, wie man die Energie und Dynamik von einem live Vortrag auch über das Netz hinbekommt. Klar ist damit schon einmal, dass es nicht damit getan ist, sitzend vor seiner unaufgeräumten Bücherwand einfach seinen Vortrag zu rezitieren. Um sich als virtueller Redner behaupten zu können und gebucht zu werden, muss man schon mehr zu bieten haben. Man braucht etwas Platz, um sich auch bewegen zu können, man braucht gutes Licht, damit man nicht auf der Stirn wie Schweinchen Speck aussieht, während die Augen aus zwei dunklen Höhlen bestehen. Gute Technik ist hier ebenfalls wichtig – die pixelige Webcam rechtfertigt kaum die üblichen Honorare. Wenn es dann noch ein wenig mehr sein darf, kann man sich auch mit verschiedenen Möglichkeiten wie virtuelle Hintergründe, Einblendungen und dem einen oder anderen spannenden Special-Effect beschäftigen. Kurzum, wenn man sich da etwas einfallen lässt und den Veranstaltern auf diese Weise klarmacht, dass man eine wirkliche Top-Performance auch aus dem Heimstudio hinbekommt, dann gibt es sicherlich sehr gute Argumente dafür, auch virtuell gebucht zu werden.
Als Teilnehmer an Onlineveranstaltungen darf ich vielleicht noch anmerken, dass ich durch diese neuen Formate unendlich froh bin, dass ich nicht dreimal am Tag aufstehen muss, um dem schwitzigen Nachbarn eine Massage zu geben.
Ja, unsere Arbeitswelt wird sich verändern aber wie so oft im Leben ist nicht online oder offline das allein glücklich machende, sondern immer die clevere Kombination. Auch im Bereich Vertrieb und Marketing wird die geschickte Kombi beider Welten in Zukunft über Buchung oder Nicht-Buchung entscheiden.
Wer sich da auf dem Laufenden halten will, dem verrate ich schon ein geheimes Projekt, das erst im Herbst für die breite Masse zugänglich sein wird: www.onoff-club.de
Martin Sänger ist seit 1997 als Verkaufstrainer international aktiv und hat bereits 2015 angefangen, seine Angebote zu digitalisieren.  Aufgrund der hohen Nachfrage, führt er seit 2018 Selbständige und KMU`s durch den Onlinemarketing Dschungel, den er selbst zuvor mühsam durchquert hat. Der Schwerpunkt bei seinen Coachings liegt stets darauf, dass es schlichtweg funktionieren muss, egal auf welcher Plattform und mit welcher Technik. Seine Kunden schätzen ihn nicht nur als erfahrenen Online-Dschungelguide, sondern auch als Sparringspartner mit über 20 Jahren Erfahrung als Selbständiger.