von Karen Christine Angermayer

Mein perfekter Schreibort liegt am Meer. Er besteht aus einem einfachen Tisch mit freiem Blick auf den Horizont und sonnenbeschienene Wellen. All das an einem warmen Platz auf dieser Welt, an dem die Temperaturen optimalerweise auch im Winter nie unter 20 Grad Celsius sinken … Morgens ein paar Stunden arbeiten. Dann am Meer spazieren gehen, joggen oder walken. Anschließend etwas Leckeres essen – und schwupps, wieder zurück an den Schreibtisch, weiterarbeiten, mit Blick aufs Meer und den Horizont …

Das ist mein idealer Schreibtisch. Mein realer Schreibtisch? Steht nicht am Meer. Und im Moment ist es hier in Deutschland auch alles andere als warm und sonnig. Weder mental, noch temperatürlich. Trotzdem schreibe ich jeden Tag. Denn nach 22 Jahren in diesem Beruf habe ich festgestellt: Schreiben funktioniert für mich am besten dort, wo … Ach, lies am besten selbst! Viel Spaß!

Wenn ich weiterhin von meinem idealen Schreib-Ort träumen würde, dann hätte ich bis heute kein Buch geschrieben oder nur sehr wenige. Meine Muse wäre unterfordert, weil arbeitslos, wir würden streiten, uns vielleicht scheiden lassen … eine schreckliche Vorstellung. Unterhaltszahlungen für Ex-Musen können teuer werden!

Stattdessen lebe ich ein sehr simples Schreib-Leben. Ein Schreibtisch. Ein Stuhl. Mein Computer. Ein Notizbuch, Drucker, Papier, Stifte. Da ich zwischen 2 Orten pendele, habe ich das alles an 2 Orten vorrätig. Fertig. Ich lebe also, rein äußerlich, ein wirklich einfaches Schreib-Leben. Das Haus meiner Fantasie dagegen ist bunt und voller Zimmer, alle wunderbar ausgestattet und für sämtliche Genres zu haben. Doch für meine tägliche Arbeit halte ich es im Außen gerne schlicht. Schlichtheit schafft Klarheit. Wie außen, so innen. Das ist meine Erfahrung.

Nach 22 Jahren der Selbständigkeit und wiederkehrendem Rückenzwicken habe ich mir inzwischen einen etwas teureren Stuhl angeschafft, der wippen kann, wenn ich wippen will. Und zum Arbeiten im Stehen noch eine dicke Gummimatte, in die Unebenheiten und kinderfaustgroße „Knubbel“ eingearbeitet sind, die das Laufen auf Waldboden simulieren sollen. Schreiben ist kein Spaziergang, auch nicht mit simulierten Baumwurzeln unter den Fußsohlen, doch diese beiden – Stuhl und Matte – sind die einzigen größeren Investitionen (außer meinen Computern und Laptops), die ich für die praktische Ausübung meiner Arbeit getätigt habe. Alles, was IN mir ist, was mich zu der gemacht hat, die ich heute bin – das war wesentlich teurer, lächel.

Ach ja, einer meiner beiden Schreibtische hat früher mal einem Frankfurter Verleger gehört, sagte man mir. Das vormals dunkle Holz habe ich Weiß angestrichen. Ob er mich inspiriert? Möglich. Außerdem liebe ich es, von starken Farben umgeben zu sein: Die Wände eines meiner Büros sind in warmem Gelb und Orange gehalten. Im anderen Büro zieren großformatige Leinwände mit Fotodrucken das ansonsten leere Weiß. Und ich habe gerne mehrere Tassen in verschiedenen Farben zur Verfügung, aus denen ich je nach Laune eine aussuchen kann. Das war´s dann aber auch schon. Ich nehme keine dieser Tassen mit auf Reisen, wenn ich unterwegs bin. Ich kann auch ohne sie schreiben.

Ich schreibe, wo ich gehe und stehe. Das habe ich mir über die Jahre so angewöhnt.
Denn ich persönlich finde es ungünstig und wenig hilfreich, wenn wir Menschen in Abhängigkeit geraten: „Mir geht es nur gut, wenn …“, „Ich kann nur gut arbeiten, wenn …“, „Ich kann nur erfolgreich sein, wenn …“. Diese Wenns erst alle zu erfüllen (Stille im Haus, die Kinder alle gesund, die gesamte Bürokratie erledigt, noch dieses oder jenes teure Zertifikat gemacht, die Muse in Höchstform gebracht …), das kostet Unmengen an Zeit und Energie. Zeit und Energie, die wir stattdessen ins Schreiben stecken können.

Vielleicht kennst du deine Schreib-Orte bereits. Wenn nicht, lade ich dich heute ein, für dich selbst auf Spurensuche zu gehen. Wo schreibst du am liebsten? Welche Orte inspirieren dich? Welche Orte hast du noch nie ausprobiert?

Probiere vor allem einmal aus, einfach hier und jetzt zu schreiben – da, wo du gerade bist. Sei es im Büro. In der Küche. Im Wohnzimmer. Im Bad. An der Bushaltestelle. Im Wartezimmer beim Arzt. Im Flieger. In der Bahn. Im Café … Ich persönlich habe immer ein Manuskript oder meinen Laptop dabei, während ich z. B. auf meinen Sohn warte, der im Schlagzeugunterricht ist oder beim Fußballtraining schwitzt. Bei meiner Friseurin lese ich am liebsten Exposés und ganze Manuskripte statt der GALA … Da kriege ich richtig was geschafft! Friseurstuhl mit warmer Haube um den Kopf – ein super Schreib- und Denk-Ort! Und zu meinem absoluten Lieblingsplatz hat sich inzwischen unser bunter Sessel im Bad entwickelt.

Das Schreiben im Bad – um 5 Uhr in der Früh – entstand vor ein paar Jahren eher aus der Not geboren, weil ich meinen Partner nicht wecken wollte (an meinem zweiten Lebensort ist unser Apartment sehr offen und hellhörig, und nicht jeder Mann ist ein Freund davon, mitaufzuwachen, wenn die Liebste in aller Herrgottsfrühe schon die ersten Musenknutscher tut). Ich muss sagen: Ich liebe das Schreiben im Bad inzwischen! Ganze Bücher und Serien entstanden schon an diesem Ort. Nicht jeder hat ein großes Bad – aber jeder hat einen großen Stuhl oder bequemen Sessel, den er irgendwo hinstellen kann. Wo könnte deiner stehen?

Mein Küchentisch liebt erste Entwürfe.
Auf meinem Küchentisch liegt in der Regel nichts, was mich an meine sonstige Arbeit erinnert. Darum ziehe ich es vor, erste Entwürfe, Skizzen oder Brainstormings dort zu machen. Hier kann beginnen, was vorher noch nicht da war. Die Küche ist also mein „free space“. Danach kommt ein bewusster Ortswechsel … an meinen Schreibtisch.

Denn: Mein Schreibtisch befeuert den „Editor“ in mir.
Mich an den Schreibtisch zu setzen bedeutet für mich: Schalter umlegen. Das Signal ans Gehirn senden: Schluss mit wildem Brainstorming, jetzt ist der Verstand an der Reihe! Der innere Kritiker und Zensor darf sich nun nach Herzenslust ausleben, Satzteile verschieben, ganze Sätze und Seiten streichen … Er darf den Text besser machen. Druckreif. Dafür ist mein Schreibtisch, der in der Regel möglichst aufgeräumt ist, der perfekte Rahmenhalter.

Ansonsten gilt für mich: Schreiben hat da zu gehen, wo ICH bin.
Und da ich übers Jahr an vielen Orten bin, ist es besser für mich, wenn es überall gleich gut „geht“. Ich saß schon in Los Angeles in einem proppevollen Café und tippte Seite für Seite. Wilson, der Kellner, fragte mich mit einem breiten Grinsen: „Are you writing the big book?“ Ich musste schmunzeln und nickte.

Manche schreiben gerne im Bett. Das ist eher nicht so meins. Wieder andere mögen statt dem Meer viel lieber die Berge und können erst richtig denken bei Temperaturen, bei denen mir längst das Hirn einfriert. Und statt lauten Cafés habe ich es, wenn es irgend geht, gerne still. Sehr still. Ich mache nicht mal das Radio an, wenn ich schreibe. Denn auf dem Grunde meiner Seele und meines Geistes höre ich … MICH. Und all die Geschichten, die durch mich erzählt werden wollen.

Mein Tipp für dich heute: Fang einfach an. Da, wo du stehst und gehst. Hier und jetzt. Mit und ohne Baumwurzel-Knubbeln unter den Füßen. Barfuß oder im Business-Dress. An einem stillen Örtchen oder in einer Bahnhofshalle. Lass es einfach fließen. Lass kommen, was du der Welt zu sagen hast. Möge die Muse mit dir sein! Und behandle sie immer liebevoll. Du weißt ja: Unterhaltszahlungen an Ex-Musen …

Ich hoffe, ich konnte dich auch heute wieder auf meine Schreib-Reise mitnehmen und dich für deine eigene Reise inspirieren. In der nächsten Folge schauen wir uns das Thema an: „Kann ich aus meinem Blog ein Buch machen?“. Ich freue mich, wenn du wieder dabei bist.

Bis dahin mach es gut – und schreib dein Buch!

Karen Christine Angermayer
Autorin, Ghostwriterin, Buch-Coach

KAREN CHRISTINE ANGERMAYER ist international erfolgreiche Autorin von mehr als 30 Büchern bei 7 großen Verlagen und regelmäßig als Ghostwriterin für Trainer, Coaches und Speaker tätig. Ihre Bücher wurden u. a. zu SPIEGEL-Bestsellern und große Verlagshäuser kommen auf sie zu, um neue Ideen für Serien zu entwickeln. In den letzten 8 Jahren war sie darüber hinaus auch als Verlegerin tätig – sie kennt also alle Seiten des Schreibtischs.

Ihre Leidenschaft fürs Schreiben ist bereits in der Kindheit entflammt. Nach einem kurzen Umweg in die Welt der Zahlen und einem Diplom in Photoingenieurwesen an der FH Köln kehrte sie ganz schnell wieder in die Welt der Geschichten zurück. Seit inzwischen 22 Jahren ist ihre Liebe zum Schreiben eigener Bücher und der Unterstützung anderer Menschen beim Schreiben ungebrochen.

Zusammen mit ihrem starken Team aus 8 Partnern hilft sie Trainern, Coaches und Speakern von der ersten Idee über den Schreibprozess bis hin zum fertigen Buch. So entstehen jedes Jahr ca. 50 neue Bücher, die sie entweder selbst schreibt oder berät und begleitet.
Privat ist sie 2fache Mutter von 2 Teenagern und pendelt zwischen 2 Orten in Deutschland. Sie weiß daher genau, wie wichtig strukturiertes Arbeiten und ein gutes Schreibmanagement sind – und genau dies vermittelt sie auch ihren Kunden 🙂

Kontakt: hallo@angermayer-sorriso.com