Wir Trainer, Speaker und Coaches haben ein Mitteilungsbedürfnis, sonst wären wir keine Trainer, Speaker und Coaches. Wir könnten den ganzen Tag lang über unser Thema sprechen, weil wir dazu viel zu sagen haben und dafür „brennen“. Beim Bücherschreiben lohnt sich manchmal das Gegenteil: Klappe halten und schweigen. Warum, das verrate ich dir in der heutigen Folge. Viel Spaß damit!
Zu früh über ein Buchprojekt zu sprechen, schwächt seine Energie.
Wenn eine Idee ganz frisch in uns zündet, dann hat sie viel Kraft. Je nachdem, wie stark oder wie umfassend die Idee ist, zieht sie uns über mehrere Tage, Wochen oder auch Jahre hinweg total in ihren Bann. Wir denken an (fast) nichts anderes mehr, notieren Stichpunkte hier und da, das Ganze wächst … Irgendwann ist die Idee geboren. Sie lebt. Wir gehen mit ihr durch den Tag. Bringen sie in die Realität. So erlebe ich es bei jedem Buchprojekt.
Fangen wir in dieser Phase schon zu früh an, darüber zu sprechen, verliert der Ursprungsfunke an Kraft. Am besten ist dies vergleichbar mit einem prall gefüllten Luftballon. Piekse ihn mit einem spitzen Gegenstand an – und die Luft entweicht. Sprichst du mit mehreren Bekannten, Freunden, Familienmitgliedern oder Kollegen über deine Idee, dann entweicht ihr jedes Mal ein bisschen mehr Luft. Irgendwann liegt sie schlaff am Boden. Vielleicht hast du dies selbst schon erlebt.
Wenn du schon zu oft darüber gesprochen hast, kann es auch sein, dass du gar keinen Drive mehr hast, dich hinzusetzen und alles noch einmal auf Papier zu erzählen. Es fühlt sich nach reiner Wiederholung des bereits Gesagten an. Die Energie ist verpufft.
Gut möglich auch, dass erste Kritik gekommen ist, als du davon erzählt hast. „Na, ich weiß nicht – gibt´s so ein Buch nicht schon?“ Oder jemand war so begeistert von der Idee, dass er eigene Beiträge dazu liefert, weil er auch zu sprudeln beginnt. „Ja, und dann könntest du noch …!“
Dies alles verfärbt und verfälscht deine Ursprungsidee.
Von Bette Midler („From a distance“) erzählt man, dass sie eines Tages während eines Umzugs ihr Klavier (vielleicht war es auch ihr Flügel) drei Tage lang nicht benutzen durfte, da es nach dem Transport noch ruhen sollte, bis sie wieder spielen durfte. Genau in dieser Zeit kam ihr die Idee zu dem Song „From a distance“. Viele von uns kennen ihn aus der Weihnachtszeit, in der er sehr häufig im Radio und in Einkaufszentren gespielt wird. Ich liebe den Text übrigens!
Man sagt, dass dieser Song die ganzen drei Tage in Bette Midler gereift ist, immer mehr an Kraft zugenommen hat, sodass sie es kaum aushalten konnte, bis sie sich endlich hinsetzen und die ersten Töne anschlagen durfte. Ab dem Moment aber brach das Lied innerhalb weniger Stunden aus ihr heraus … und ist heute der Song, den wir hören.
Ich weiß nicht, ob diese Geschichte stimmt, doch ich kann sie mir sehr gut vorstellen.
Ich habe es gerade in diesen Tagen erlebt, dass ich mich von einem Buchprojekt komplett verabschiedet habe – in dem Fall nicht, weil ich zu viel darüber gesprochen hatte, sondern weil ich schon zu viel daran geschrieben hatte, über zwei Jahre hinweg. Ich schrieb in den letzten Wochen erneut intensiv daran und merkte plötzlich: Jeglicher Funke an Begeisterung war weg. Ich hatte das Gefühl, dass ich alles schon einmal geschrieben hatte.
Es machte mir selbst keinen Spaß mehr. Ich hätte es durchziehen können. Die Deadline stand. Doch ich spürte ganz deutlich: Hier kommt nichts Gutes dabei raus. Das kannst und willst du weder deinen Lesern, noch dir selbst antun. Also habe ich mich von dem Projekt verabschiedet und radikal am vergangenen Wochenende alle Schnipsel, Ausdrucke, Notizen, erste Versionen … die ich seit mehr als zwei Jahren zu diesem Projekt gesammelt habe, in die Papiertonne gekippt. Was für eine Befreiung!
Zurück zu dir und deinem Buch. Wir wollen ja, dass du es schreibst!
Gib deinem Buch also eine Zeit des „Welpenschutzes“, wie ich es nenne. Bewahre Stillschweigen, um die Kraft bei dir zu behalten und zu bündeln, so lange es geht. Damit sie dann, wenn es soweit ist, wie ein Laserstrahl aus dir herausschießt. Es lohnt sich, auch wenn es manchmal schwerfällt.
Dies schließt nicht aus, dass du Dir professionelle Hilfe holst. Denn ein guter Profi kann dir sehr genau sagen, was du tun könntest, um deine Botschaft noch mehr zu verstärken und dein Buch inhaltlich auf tragende Säulen zu stellen.
Auch 1-2 vertraute Testleser (Buddies), denen du deinen Text guten Gewissens schicken kannst, sind nicht verkehrt. Dies ist nicht unbedingt die eigene Mutter oder Großmutter, die für gewöhnlich lieben und loben, was wir tun, sondern jemand aus deinem Umfeld, der dich und dein Thema versteht. Derjenige muss nicht aus der Buchbranche kommen, aber dir konstruktiv auf die Frage antworten können: „Wie wirkt das auf dich?“
Merke: Es geht nicht ums „gefallen“, es geht um die Wirkung! Das ist ein Unterschied.
Später dann, wenn dein Buch geschrieben ist, wird auch der Verlag sich erbitten, dass du nicht zu früh davon erzählst. Es kann sonst schnell passieren, dass dem Marketing der Wind aus den Segeln genommen wird. Vom sog. „Ideenklau“ mag ich hier gar nicht ausführlich sprechen. Ich habe das nicht erlebt und ich kenne niemanden, dem es passiert ist. Dennoch kann auch das ein guter Grund sein, einfach noch eine Weile Stillschweigen über dein Projekt zu bewahren.
Ideen hängen in der Luft. Derjenige bringt sie zu Papier, der als Erster danach greift und die Disziplin aufbringt, um sie aufzuschreiben. Heutzutage sind die technischen Möglichkeiten gegeben, innerhalb weniger Stunden ein eigenes Buch bei Amazon und Co. hochzuladen und Autor zu sein.
Wie läuft es im Verlag?
Ein Verlag beginnt ab dem Zeitpunkt, über dein Buch zu sprechen und es zu bewerben, wenn das Cover in der sog. Vorschau, das ist der Verlagskatalog, steht. Dieser geht flächendeckend an den Buchhandel heraus – heute in großen Teilen online. Zu dem Zeitpunkt ist dein Buch schon fast fertig: Der Text ist geschrieben, lektoriert, korrigiert und befindet sich in der Herstellungsabteilung, wo das Layout gestaltet wird, bevor alles an die Druckerei geht.
Dies ist auch der Zeitpunkt, an dem ich beginne, das Buchcover zu posten. Natürlich würde ich mein Werk liebend gerne schon viel früher zeigen und meinen Fans von all den wundervollen Dingen erzählen, die ich für das Jahr 2022, 23 und 24 geplant habe … Doch aus den genannten Gründen halte ich den Mund.
Es gibt immer Menschen, die alles ganz anders machen, daher gibt es hier kein Richtig und kein Falsch. Von Verlagsseite solltest du aber eben wissen, dass man lieber erst abwartet, bis die Vorschau fertig ist. Als Selfpublisher bleibt dies ganz dir überlassen.
An dieser Stelle noch ein Punkt, der nicht ganz „in die Reihe“ passt, aber irgendwie doch. In meiner Rolle als Verlegerin hatte ich vor einigen Jahren Interesse an dem sehr spannenden Reisebericht einer Autorin. Ihre Agentin und ich hatten einen Telefontermin vereinbart. Kurz vor dem Termin ging ich ins Internet, um den Namen der Autorin aufzurufen und zu schauen, was sie schon alles geschrieben hatte. Da fiel mir ein Buchcover auf. Es trug den Titel, über den ich in wenigen Minuten mit der Agentin sprechen wollte.
Wie konnte das sein? Was war passiert? Ganz einfach: Die Autorin hatte das Buch bereits als E-Book selbst herausgegeben, ihre Agentur darüber aber nicht informiert.
Ende vom Lied: Das Projekt war gestorben. Kein Verlag will ein Buch drucken, das schon als E-Book in der Welt herumgeistert – es sei denn, es ist ein rasender Bestseller!
Zu früh sprechen und „schnell-schnell“ irgendwas veröffentlichen sind also beide nicht zielführend.
Ich hoffe, ich konnte dich auch dieses Mal wieder inspirieren und weiterbringen. In der nächsten Folge widmen wir uns dem Thema Co-Autorenschaft: “Macht das Sinn, mit jemand anderem an einem Buch zu schreiben?“ Ich freue mich, wenn du wieder dabei bist.
Bis dahin mach es gut – und schreib und schweig, so lange es geht.
Karen Christine Angermayer
Autorin, Ghostwriterin, Beraterin für Expertenmarketing, Sichtbarkeit und Positionierung
KAREN CHRISTINE ANGERMAYER ist international erfolgreiche Autorin von mehr als 30 Büchern bei 7 großen Verlagen und mehrmals pro Jahr als Ghostwriterin für Speaker, Trainer und Coaches tätig.
Ihre Bücher wurden u. a. zu SPIEGEL-Bestsellern und große Verlagshäuser kommen auf sie zu, um neue Ideen für Serien zu entwickeln.
Als Verlegerin der sorriso GmbH hat sie in den letzten 5 Jahren 50 Projekte auf dem Weg von der Produktion bis in den Handel betreut.
In persönlichen Coachings und Beratungen für Unternehmer*innen und Selfpublisher*innen berät sie von der ersten Idee für ein Buch über die Konzepterstellung und Dramaturgie sowie dem textlichen Feinschliff bis zum fertigen, gedruckten Buch, das der Autor in Händen hält.
Ihre Leistungen werden in vielen Fällen staatlich bis zu 50-80% gefördert. Kontakt: hallo@angermayer-sorriso.com

Hinterlasse einen Kommentar