„Ich möchte einen Ratgeber schreiben, der sich so spannend liest wie ein Roman.“ Oder: „Ich habe eine sehr berührende Lebensgeschichte erlebt und möchte gern einen Roman daraus machen.“ Mit diesen Wünschen (und vielen anderen) kommen Menschen zu mir in die Beratung. Was auf den ersten Blick machbar erscheint, erweist sich auf den zweiten Blick als „tricky“. Denn Ratgeber und Roman – das sind 2 ganz verschiedene Welten. Kann man sie überhaupt kombinieren, ohne dass ein komischer Brei entsteht, der viel will, aber nichts kann? Und was solltest du beachten, damit der Mix gelingt? Darum geht es in der heutigen Folge.
Wer je einen Roman UND einen Ratgeber geschrieben hat, der weiß: Hier sprechen wir von 2 ganz unterschiedlichen Genres. Während sich der Roman in der Regel um einen „Plot“ dreht, also eine dramaturgisch sauber konstruierte Handlung, in der die Helden (Protagonisten) eine „Reise“ durchlaufen und am Ende der Geschichte andere sind als vorher, geben Ratgeber Impulse zu verschiedenen Lebens- oder Berufsthemen.
Wenn du dieser Beitragsreihe schon ein bisschen länger folgst, dann hast du das Wort Klarheit schon das ein oder andere Mal von mir gehört. Klarheit ist ein wichtiges Schlüsselwort beim Schreiben. Klarheit ist für dich als Autor wichtig und genauso auch für deine Leser.
Klarheit ist auch für den Buchhändler wichtig, denn er muss sofort wissen, in welches Regal er dein Buch stellen soll. Warum so viele Menschen mit den beiden oben genannten Wünschen auf mich zukommen, weiß ich auch nicht. Warum nicht beim Einfachen bleiben? Bei dem, was immer schon funktioniert hat? Warum unbedingt eine Kombi, ein Cocktail? Ich weiß es nicht und diese Frage lösen wir hier nicht.
Es gibt auch Autoren, die unbedingt die Regeln der klassischen Dramaturgie brechen wollen. Ihre Begründung: Sie möchten nicht „vorhersehbar“ sein. Was ich durchaus verstehen kann, doch die Grundlagen der Dramaturgie beherrschen heißt noch lange nicht, vorhersehbar zu sein! Im Gegenteil. Erst das macht richtig frei. Und wer Regeln brechen will, sollte sie zunächst mal bis in die Faser seines Seins beherrschen – und das tun die wenigsten derer, die sie brechen wollen … Doch auch das ist eine andere Geschichte.
Vollkommen nachvollziehbar ist hingegen der Wunsch, spannend und lebendig schreiben zu wollen und eine Figur zu erschaffen, die zwar erdacht ist und doch wie ein normaler Mensch wirkt. Hier haben wir z. B. die Möglichkeit, für unseren Ratgeber einen fiktionalen Charakter zu erschaffen, z. B. Peter W., 46 Jahre alt, frischgeschieden, alleinerziehend, der sich selbständig machen will, sich dabei endlich auch selbstverwirklichen will (nach jahrelanger Schufterei in einem Brotjob, der ihn nicht nur seine Freude, sondern auch seine Ehe gekostet hat) – und verständlicherweise wegen seiner beiden Kinder auch vom Start weg gutes Geld verdienen muss.
In deinem Ratgeber, der sich um das Finden des Traumjobs, um die perfekte Gründung oder um das Thema Erfolg (z. B. durch ein Online-Business für Alleinerziehende) generell dreht, könnten wir Peter W. in den wichtigsten 5-10 Stufen begleiten, die er beachten sollte. Ein Coach (ebenfalls fiktiv) könnte Peter W. im Laufe deines Buches all die Tipps und Impulse an die Hand geben geben, die du deinen Kunden in der Regel in deinen Beratungen gibst.
Wichtig ist: Es handelt sich dabei weiterhin um einen Ratgeber, nicht um einen Roman. Doch er kann sich sehr lebendig und lebensecht lesen, denn natürlich schreibst du gute Dialoge zwischen Peter und seinem Coach, und deine Leser kennen Peters Probleme nur zu gut. Sie werden also mit Spannung verfolgen, wie sich Peter (und sein Kontostand) am Ende entwickelt – und können die entsprechenden Tools für sich selbst ausprobieren.
Einen Roman zu schreiben unterschätzen viele. Manche sagen zu mir im Erstgespräch: „Jetzt hab ich schon mehrere Ratgeber geschrieben, jetzt will ich noch den Roman meines Lebens schreiben!“ Großartiger Wunsch, den ich auch gerne unterstütze und begleite. Doch damit der Wunsch auch erfolgreiche Realität wird, sollte klar sein, was Romanschreiben an „Hausaufgaben“ mit sich bringt: Beschäftigung mit Spannungsbögen, mit Wendepunkten, mit dreidimensionaler Figurenentwicklung, mit Haupthandlung und Nebenhandlung, mit Modellen der Dramaturgie wie die klassische Drei-Akt-Struktur oder den Acht-Teiler … Nicht zu vergessen das Verfassen gelungener Dialoge, die spritzig, echt und nicht hölzern klingen. („Peter, Schatz, reichst du mir bitte mal den Salzstreuer herüber?“ – nennst du deinen Mann beim Namen, wenn du ihn um das Salz bittest? Ich weiß nicht, warum es Menschen in Romanen und Filmen tun.)
Bei einem Ratgeber hast du in der Regel zwar auch drei Teile: Einleitung – Hauptteil – Schluss. Doch du musst viel weniger darauf achten, dass die „Handlung“ permanent auf einen Höhepunkt zusteuert, der natürlich nicht zu offensichtlich sein darf, und auf ein Ende, das ebenfalls überraschend sein sollte.
Wenn es einen Haupt-Unterschied gibt zwischen Roman und Ratgeber, dann ist es dieser: Ratgeber lösen das Problem eines Lesers, indem sie über Werkzeuge sprechen.
Romane zeigen, wie ein Held sein Problem löst (oder daran scheitert). Allerdings nicht anhand von Tools, sondern durch Konflikte, die sich dem Helden in den Weg legen und die er überwinden muss. Ratgeber lösen Probleme – Romane machen Probleme könnte man auch sagen. Und je mehr Probleme, desto besser, weil spannender!
Ein Roman zeigt zwar auch, wie dein Held sein Problem löst – aber dein Roman wird dafür nicht eine Reihe von Tools zeigen. Ein Roman wird dir daher nie die 20 besten Flirttipps zeigen – sondern eher 19 Wege, auf denen dein Held scheitert und den einen Weg, auf dem er dann das Herz der Frau seiner Träume gewinnt.
Ganz wichtig: Zu viel Therapeutisches vertragen Romane nicht. Auf einem Filmfestival, bei dem ich mal als Moderatorin gearbeitet habe, wollte eine junge Regisseurin die Dinge mischen: Die Probleme der Hauptfigur in ihrem Film wurden gegen Ende durch eine Familienaufstellung gelöst – also durch ein therapeutisches Tool und nicht durch Lösungen, die die Figur selbst entwickeln und durchlaufen musste. Das hat leider nicht funktioniert! Das war kein erfüllendes Film-Erlebnis.
Man hatte irgendwie das Gefühl, man säße im falschen Film, obwohl ich den Ansatz der jungen Regisseurin durchaus verstehen konnte. Ich glaube, wir sind einfach zu mythologisch geprägt. Wir tragen uralte, tradierte Geschichten-Muster in uns, die wir alle kennen. Über die Jahrtausende hinweg haben sich die Märchen, Sagen, Helden-Epen am Lagerfeuer in uns eingebrannt … so was kriegt man nicht so schnell aus der Menschheit raus.
Über die wahre Herkunft eines Problems zu sprechen (hier: über das Unterbewusstsein und familiäre Verstrickungen) hat diesem Film leider nicht gutgetan. Aber immerhin – einen Versuch war es wert und sehr mutig, finde ich.
Bevor du über einen Mix nachdenkst, frage ich: Warum? Warum will ich das eigentlich machen? Dient das dem Buch? Dient das dem Leser? Hab deinen Leser immer im Blick – im Zweifel entscheide für ihn und gegen deine Experimentierfreude. Auch er trägt das alte Lagerfeuer-Gen in sich.
Weiterhin solltest du deine Kompetenzen genau abklopfen: Wozu bin ich fähig? Kann ich einen Roman schreiben, traue ich mir das zu? Bin ich willens, mich noch mal auf den Hosenboden zu setzen und das Handwerk des Romanschreibens zu lernen – inklusive Fehlversuche?
Noch ein Wort zum Titel und zum Klappentext: Beachte bei deren Gestaltung genau, dass die Erwartungen des Lesers erfüllt werden. Der Titel sollte nicht romanhaft klingen, wenn dein Buch in Wirklichkeit ein Ratgeber ist. Oder umgekehrt. Gut gelöst wurde dies m. E. in „Das Café am Rande der Welt“: Hier verrät der Untertitel, dass es um ein Lebensthema darin geht, nämlich den Sinn des Lebens.
Und auch zur Sprache kommen sollten hier kurz noch die Autobiografien: Manche Menschen glauben, allein ihre berührende Lebensgeschichte reiche aus, um einen Bestseller zu schreiben. Meist muss ich hier enttäuschen – was mir leid tut, doch die Menschen suchen ja realistischen Rat aus meinen Branchenerfahrungen und keine Bauchpinselei.
Alfred Hitchcock soll einmal gesagt haben: „Eine gute Geschichte ist das Leben, aus dem man die langweiligen Teile herausgeschnitten hat.“
Sehr wahr! Es ist nicht unsere Biografie, auf die die Welt da draußen wartet, sei sie auch noch so berührend. Es ist vielmehr das, was wir als Botschaft daraus gezogen haben – die Essenz – und was wir daraus an andere vermitteln können. Hier zeigt sich die wahre Kunst, das wahre Handwerk.
Du siehst, auch hier tut sich ein weites Feld auf und es gilt, kluge Entscheidungen zu treffen, die es sowohl dir leicht machen (Kompetenz, Handwerk) und die es deinen Lesern leicht machen, dein Buch zu lieben, weil sie das Gefühl haben: „Hier bin ich gemeint!“
Das war´s von meiner Seite für heute! Ich hoffe, du ziehst wieder den einen anderen Impuls aus dieser Folge. Bei mir stehen jetzt noch einige intensive Wochen auf dem Schreibtisch an und danach ist es Zeit für eine längere Sommerpause. Wir lesen uns Anfang September wieder mit neuer Frische – und sehen uns hoffentlich in meinem Workshop auf der Convention oder an meinem Stand? Schau vorbei!
Hier in der Beitragsreihe geht es weiter mit der Frage: „Wie halte ich eigentlich Lesung?“ Ich würde mich sehr freuen, wenn du dann wieder dabei bist.
Bis dahin, mach es gut – und schreib dein Buch. Mit (Sonnen)Schirm, Charme und Melone!
Karen Christine Angermayer
Autorin, Ghostwriterin, Beraterin für Expertenmarketing, Sichtbarkeit und Positionierung
KAREN CHRISTINE ANGERMAYER ist international erfolgreiche Autorin von mehr als 30 Büchern bei 7 großen Verlagen und mehrmals pro Jahr als Ghostwriterin für Speaker, Trainer und Coaches tätig.
Ihre Bücher wurden u. a. zu SPIEGEL-Bestsellern und große Verlagshäuser kommen auf sie zu, um neue Ideen für Serien zu entwickeln.
Als Verlegerin der sorriso GmbH hat sie in den letzten 5 Jahren 50 Projekte auf dem Weg von der Produktion bis in den Handel betreut.
In persönlichen Coachings und Beratungen für Unternehmer*innen und Selfpublisher*innen berät sie von der ersten Idee für ein Buch über die Konzepterstellung und Dramaturgie sowie dem textlichen Feinschliff bis zum fertigen, gedruckten Buch, das der Autor in Händen hält.
Ihre Leistungen werden in vielen Fällen staatlich bis zu 50-80% gefördert. Kontakt: hallo@angermayer-sorriso.com

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