von Karen Christine Angermayer

Ob beim Schreiben eines Buches, beim Vortrag oder im Seminar: Gut, wenn du ein Thema hast! In unseren professionellen Kreisen ist das völlig klar. Niemand würde sich ohne Thema, ohne Botschaft und ohne dazu passenden Content auf eine Bühne begeben. Wenn doch, wird´s für ihn selbst und das Publikum entweder grauslich, ärgerlich oder das totale Chaos.

Genauso unerträglich ist es allerdings, wenn Thema und Content zwar (ganz oder in Spuren) vorhanden sind, aber man doch deutlich spürt: Das kommt nicht von Herzen. Der (oder die) lebt gar nicht, was er erzählt. Sicher kennst du solche Momente.

Gelebtes Wissen ist um ein Vielfaches kraftvoller, authentischer, glaubwürdiger und für unsere Kunden wirksamer, als wenn wir uns die Inhalte nur angelesen haben, mal „ein Wochenendseminar“ besucht haben und das Thema danach gleich zu unserem eigenen machen. „Mal schaun, ob sich damit Geld verdienen lässt.“ Ich persönlich glaube nicht, dass das funktioniert. Oder zumindest nur in sehr wenigen Ausnahmen.

Bevor du daher ein bestimmtes Thema auf deine Flagge schreibst (dich damit positionierst und sechsstellig ins Marketing investierst), prüfe sorgfältig, ob es wirklich dein Thema ist. Darum geht es in der heutigen Folge.

Manchmal treffe ich Leute, die mir seit Jahren erzählen, dass sie ein Buch schreiben wollen. Sie fangen aber nicht an. Jahr für Jahr zieht vorbei … kein Wort auf dem Papier. Oder ich bekomme Manuskripte auf den Tisch, die zwar aus vielen Wörtern und Sätzen bestehen, aber sie sind tot. Mausetot. Kein Bild entsteht in mir beim Lesen, kein Gefühl für Autor und Thema. Meine eigene Herzlinie fühlt sich an, als laufe sie Gefahr, nur noch ein gerader Strich zu sein, wenn ich weiterlese. Beeeeep.

Ursache für beide Phänomene ist ein und die gleiche: Diese Menschen haben meist ihr Ur-Thema noch nicht gefunden.

Mir ist es eher zufällig vor einigen Jahren aufgefallen, dass sich meine ersten Bücher zwar von den Protagonisten und der Story her unterschieden, das darunterliegende Thema aber interessanterweise ähnlich war. Es ging immer um Selbstannahme. Nimm dich an, wie du wirklich bist. Lass dir nicht erzählen, wie du sein müsstest. Sei einfach du selbst.

Dieser Satz wurde nicht explizit im Buch ausgesprochen – aber zwischen den Zeilen ging es genau darum.

Im Laufe der Jahre veränderten sich meine Themen bzw. sie ergänzten sich. In 2012 schrieb einen Ratgeber über unser Vertrauen ins Leben. Später dachte ich: Schau an, da ist es wieder: Sei du selbst. Vertraue darauf, dass du und dein Leben richtig seid so wie ihr seid. Geh deinen Weg. Im vollen Vertrauen.

Natürlich hatte das Buch noch viele weitere Inhalte, doch das Thema zog sich offensichtlich wie ein roter Faden durch mein Bücher-Leben.

Vor ein paar Wochen habe ich mich in meiner eigenen Arbeit als Autorin einem komplett anderen Genre zugewandt, und was sehe ich: Nicht offensichtlich, aber auf den zweiten Blick ist zu erkennen, dass die weibliche Hauptfigur in dem Roman anders ist als die anderen Frauen in ihrer neuen Heimat. Und sie darf sein, wie sie ist. Sie wird dazulernen, sich entwickeln, wie wir alle als Mensch – aber sie wird sich nicht grundlegend verändern.

Interessant, oder?

Ganz anderes Thema in meinen Büchern und Beratungen wird immer sein, wie wir uns das Schreiben möglichst leicht machen. Du siehst: Wir können mehr als ein Thema haben. Wichtig ist, dass dahinter immer ein starker Herzschlag steckt. Etwas wirklich Gelebtes und Durchlebtes.

Stopp. Wenn du schon ein Buch oder sogar mehrere Bücher geschrieben hast, dann nimm sie dir doch gleich mal zur Hand. Ja, jetzt.

Lege sie vor dich hin, schau dir die Titel an, schlag sie auf, lies quer und frage dich: Gibt es Gemeinsamkeiten? Was haben meine Bücher (wenn es mehrere sind) alle gemeinsam?
Wenn es ein Buch ist, frage dich: Was war damals meine Ursprungsmotivation? Der Funke, der mich an den Schreibtisch gezerrt hat, damit ich dieses Buch endlich schreibe? Was hat mich an diesem Thema nicht losgelassen?

Notier dir die Antworten, die spontan kommen, auf ein Blatt Papier oder im Computer.

Sollten keine Antworten kommen, schau dir die folgenden Fragen an und beantworte auch sie am besten schriftlich:

– Welche Themen beschäftigen mich schon länger, vielleicht sogar schon seit Kindheit und Jugend?
– Was waren prägnante Ereignisse in meinem Leben: familiär, gesundheitlich, beruflich?
– Welches waren meine größten Herausforderungen?
– Worin bestanden meine größten Siege?
– Was war beruflich DIE Katastrophe, DER Erfolg?
– Über welche Themen informiere ich mich gerne und lese viel darüber?
– Über welche Themen schreibe ich immer wieder oder gehe damit Freunden, Bekannten und der Familie ordentlich und regelmäßig auf den Keks?
– Welche Themen gehen total an mir vorbei, lassen mich völlig kalt? (auch sie können später zu einem Ur-Thema werden!)
– In welchen Bereichen habe ich mich selbst schon coachen oder beraten lassen?
– In welchen Bereichen coache oder berate ich andere am liebsten? Bei welchen Themen gelingt mir das am leichtesten? Welche Themen sind für mich eher zäh?
– Was macht mir gar keinen Spaß?
– Was ärgert mich oder bringt mich jedes Mal in Wallung?
– Wenn es nicht ums Geld ginge – welchen Beruf würde ich dann ausüben? Welche Vorträge und Seminare würde ich dann halten?
– Wenn ich mir keine Gedanken machen müsste, ob ich zu einem Thema schon genügend Wissen habe oder meine Sache gut mache – welches Buch würde ich dann schreiben?

Viele Autoren, die zu mir kommen, sagen: „Zu dem und dem Thema muss ich noch viel recherchieren, wenn es ins Buch soll.“ Warum lässt du es nicht einfach aus deinem Buch draußen? Wenn es anderswo schon steht – warum dann noch in deinem Buch? Du hast sicher genug zu erzählen. Sonst schreib lieber kein Buch, sondern einen Blogartikel.

Ein paar andere Stimmen außer der eigenen sind manchmal hilfreich, um ein Thema von mehreren Blickwinkeln zu beleuchten. Gerne auch Experteninterviews. Aber am Allerwichtigsten ist es doch, dass wir dich und deine Haltung, deinen Blick in dem Buch spüren! Sonst ist die ganze Kraft und Mühe umsonst.

Manche Autoren haben auch Furcht. Furcht davor, das zu schreiben, was sie eigentlich bewegt. Ich selbst gehörte am Anfang dazu. Bis ich im Jahr 2000 in Köln einen amerikanischen Schreiblehrer traf, der einige Bestseller zum Thema Bücherschreiben verfasst hat und weltweit Seminare gibt. Ich sage bewusst nicht, wer es war, da ich möchte, dass die folgenden Zeilen nicht das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Er hat es mir anvertraut und ich vertraue es dir an.

„You have a strong voice. What scares you? What do you fear?“, fragte er mich damals und sah mich eindringlich an. Ich war frische 25 und eine der Teilnehmerinnen in seinem Workshop.

Ich antwortete: „Ich habe Angst, dass sie sich alle wiedererkennen in meinen Büchern.“
Damit meinte ich Menschen aus meinem Umfeld, deren Themen ich spannend fand und unbedingt aufgreifen wollte. Persönlich wollte ich sie aber natürlich nicht vor den Kopf stoßen oder sie bloßstellen. Ich hielt mich also zurück und (be)schrieb nicht alles, was mich umtrieb und aufwühlte.

Er lachte schallend und sagte: „Mach dir darüber bloß keine Gedanken. In jedem meiner Bücher kommt meine Schwiegermutter vor, und der alte Drache hat sich bis heute nicht erkannt!“ Wir lachten gemeinsam. Befreit.

Seitdem sage ich das offen, was ich denke. Selbstverständlich wertschätzend und unter Beachtung der Persönlichkeitsrechte. Autor zu sein bringt ein hohes Maß an Verantwortung mit sich. Hilde Domin, eine meiner Lieblingsdichterinnen hat einmal gesagt: „Ein Messer trifft oft am Herzen vorbei. Nicht das Wort.“

Es gehört zu unserem Beruf als Autor, dass wir immer Gefahr laufen, jemandem (ungewollt) vor den Kopf zu stoßen oder auch anzuecken. Doch wir wollen ja schließlich auch keine weichgespülten Sachbücher, Ratgeber oder Romane, oder?

Tun wir uns und anderen das nicht an. Gehen wir lieber auf die Suche nach dem, was uns wirklich ausmacht, wofür unsere Seele brennt – und machen daraus etwas, das die Welt wirklich vom Hocker haut. Nicht, weil wir besonders neu und originell sind. Darum geht es gar nicht. Sondern weil wir aus einer Hölle oder einem Himmel kommen, die wir kennen und die wir durchwandert haben. Mit allen Freuden und allen Fürchterlichkeiten. Nach diesen Dingen sehnt sich die Welt. Diese Sehnsucht wird nie aufhören. Jeder von uns hat diesen einen Himmel, diese eine Hölle. #revolverausblas #hosenausklopf #hochprozentigesbestell

Mein Tipp für dich heute: Bleib so nah an dir dran wie möglich. Komm dir selbst jeden Tag näher, auch wenn´s weh tut. Frage dich: Wofür schlägt MEIN Herz? Was habe ich zu sagen?

Schau nicht zu sehr auf die anderen. Lass dich nicht ablenken von deiner Spur. Wenn du ein Thema hast, zu dem andere schon erfolgreich sind, und es ist wirklich DEIN Thema, dann mach´s. Auf deine Art. Sonst mach was anderes. Themen da draußen gibt es wie Sand am Meer. Eins ist deins.

Auch hier helfen übrigens die „Morgenseiten“ von Julia Cameron, über die ich dir schon in einer früheren Folge berichtet habe. Es lohnt sich überhaupt, wenn du die bisherigen Folgen immer mal wieder liest. Barbara Rossié und die KollegInnen haben sie wunderbar auf meiner Mitgliederseite integriert und sortiert. Danke dafür!

Dir wünsche ich jetzt eine spannende Reise zu deinem Ur-Thema und viel Freude und Erfolg beim Umsetzen.

Wir lesen uns in der nächsten Folge wieder, in der es um die Frage geht: „Schleifen, Schleifen, Schleifen: Wie mache ich aus meinem ‚shitty first draft‘ einen lesbaren Text?“

Bis dahin mach es gut – und schreib dein Buch!

Karen Christine Angermayer
Autorin, Ghostwriterin, Beraterin für Expertenmarketing, Sichtbarkeit und Positionierung

KAREN CHRISTINE ANGERMAYER ist international erfolgreiche Autorin von mehr als 30 Büchern bei 7 großen Verlagen. Als Ghostwriterin und Verlegerin der sorriso GmbH hat sie in den letzten 5 Jahren über 50 Projekte von der ersten Idee bis zum vertriebsreifen Buch betreut. Außerdem hat sie in persönlichen Coachings und Beratungen unzählige Manuskripte vor dem sicheren Tod gerettet.

Als Beraterin für Speaker, Trainer und Coaches begleitet sie in den Phasen Dramaturgie, Exposé, Manuskript, Verlagssuche, Kalkulation, Herstellung und Vermarktungskonzepte. Sie berät Selbständige und Unternehmen zu den Themen Sichtbarkeit, Positionierung, Online- und Offline-Marketing, Funnels und Veröffentlichungen. Ihre Leistungen werden in vielen Fällen staatlich bis zu 50-80% gefördert. Kontakt: www.angermayer-sorriso.com