von Karen Christine Angermayer

Wer ein Haus bauen will, braucht gute Handwerker: Baggerfahrer, Maurer, Zimmerleute, Elektriker … Kann der Häuslebauer oder die „-bäuerin“ (Scherz) das alles nicht selbst, sind sie gut beraten, sich Profis an die Seite zu holen. Und lieber einen zu viel als zu wenig. Auch Bäcker, Köche, Schneider und Musiker haben zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens ein Handwerk erlernt, genauso wie Journalisten und Werbetexter. Denn was viele nicht wissen: Auch Schreiben ist ein Handwerk!

Nur, weil wir jeden Tag mit den 26 Buchstaben (auf vier davon sitzend) zu tun haben, heißt das nicht, dass wir im Schreiben geübt sind und wie Profis agieren. In der heutigen Folge zeige ich dir 6 ausgewählte handwerkliche Mittel, mit denen du den Titel deines Buches aktiv gestalten kannst und ihn nicht mehr dem Zufallsblitz überlassen musst.

Tipp 1: Die Alliteration
Wer Deutsch oder Latein nicht erleichtert abgewählt hat, erinnert sich (hoffentlich) gern daran. Die Alliteration ist mein Lieblingsstilmittel. Ich verwende sie, wo immer es geht. Sie ist eine sehr alte literarische Figur, macht aber immer noch eine sehr gute ebenselbige, wie ich finde. Sie gehört zu den Klangfiguren. Du erkennst sie daran, dass der Anlaut in zwei oder mehr aufeinanderfolgenden Wörtern der gleiche ist. Beispiel: „Bulle, Bär und Börsenglück – Ein Crashkurs für Anleger“. (Das Buch gibt es nicht auf dem Markt, ich habe es erfunden.)

Schaue ich mich im Regal des Zeitungshändlers um, lese ich auf dem aktuellen FOCUS „Volksleiden Fettleber“, so untereinandergeschrieben, dass das „V“ und das „F“ sowie die beiden „l“ (in leiden und leber) untereinanderstehen. V und F sind natürlich nicht ganz der gleiche Buchstabe, aber sie klingen gleich – auch das ist erlaubt. Probier es einfach mal aus. Ich finde, die Alliteration macht richtig Spaß. Beginnt dein Buchthema mit einem „F“ wie Führung, überlege dir: Welches zweite Wort passt zu meinem Buchthema, das ebenfalls mit „F“ beginnt? „Fulminant führen“ zum Beispiel? Ist vielleicht nicht brillant und sofort druckreif, aber du erkennst die Richtung. Du wirst sehen, die Alliteration funktioniert mit jedem Thema und jedem Buchstaben und schon wenige Minuten Brainstorming bringen brauchbare Ergebnisse. Oh, drei „b“. Wenn man einmal anfängt …

Tipp 2: Die Metapher
Bei der Metapher greifst du gedanklich auf ein bekanntes Bild zurück und wandelst es für dein Buchthema ab. Bekannte Beispiele sind „Die Tiger-Strategie“ von Prof. Lothar Seiwert und „Das Pippilotta-Prinzip“ von Christine Weiner. Wer einen Bewerbungsratgeber oder ein Buch über Diversity schreibt, könnte auf die Metapher „Obst“ zurückgreifen, in dem er in seinem Titel unterbringt, dass Äpfel nicht mit Birnen vergleichbar sind. Du siehst: Von Tieren über bekannten literarischen Figuren bis hin zu Lebensmitteln gibt die Welt der Metaphern unendlich viel her.

Als ich noch als freie Werbetexterin gearbeitet habe und einen Titel für eine Postkarte suchte, die den Wochenend-Lieferservice eines Kurierunternehmens humorvoll darstellen sollte, griff ich auf bekannte Filmtitel zurück wie z. B. „Saturday Night Fever: Wir tanzen auch am Wochenende bei Ihnen an!“. Schau dich aktiv in deiner Alltagswelt um und du wirst jede Menge schöne Metaphern finden, die zu deinem Buchthema passen.

Tipp 3: Abgewandelte Zitate oder Redewendungen
„Frauen tragen die Hälfte des Himmels.“ So lautet ein Sprichwort. Vor einigen Jahren erschien im Herder Verlag das Buch „Die Hälfte des Himmels“. Der Untertitel macht deutlich, worum es geht: „Wie Frauen weltweit für eine bessere Zukunft kämpfen“.

Von Sabine Asgodom stammt ein weiteres sehr gelungenes Beispiel für die Abwandlung einer bekannten Redewendung: „Eigenlob stimmt!“ Stimmt! Du merkst dabei, dass das Ursprungssprichwort noch gut erkennbar sein sollte – der Leser will nicht viel nachdenken müssen – gleichzeitig wird klar, worum es in diesem Buch geht. Großartig gelungen, 2 „g“. Noch mehr „g“s gibt´s bei Heinz Erhard in seiner Geschichte mit G, nachzulesen hier: https://schlagfertigkeitsblog.de/heinz-erhard-und-die-geschichte-mit-g/

Sofort aufgefallen ist mir im Online-Buchhandel auch der Titel „Arschsamkeit“ von Mawe Dolma. Keine Abwandlung einer ganzen Redewendung, aber eines allseits bekannten Wortes. Ich habe das Buch nicht gelesen, doch der Titel hat es geschafft, dass ich es angeklickt habe – und genau das ist ja, was wir als Autoren wollen.

Und um noch einmal den Allerwertesten zu zitieren: „Am Arsch vorbei geht auch ein Weg“ ist ebenfalls eine Abwandlung einer bekannten Redewendung. Erkennst du sie?

Übrigens: Sammle Redewendungen, die dir gut gefallen, doch einfach künftig in einem virtuellen Speicher oder in einer kleinen Box. So kannst du, wenn du kreativ sein willst (oder musst, weil der Abgabetermin naht), immer wieder auf deinen wachsenden Ideen-Fundus zurückgreifen.

Um die Wirbelsäule mal wieder etwas unverfänglicher weiter nach oben zu rutschen, hast du sicherlich auch schon von diesem Titel gehört: „Deutschland hat Rücken“ vom Erfolgsautorenduo Dr. med. Liebscher/Liebscher-Bracht. Auch dies die Abwandlung einer umgangssprachlichen Formulierung für den menschlichen Rückenschmerz. Und wer denkt dabei nicht gleichzeitig an Horst Schlämmer, Kultfigur erschaffen von Hape Kerkeling?

„Deutschland hat Rücken“ vereint in seinem Untertitel übrigens auch noch das Stillmittel des „Flotten Dreiers“, wie ich ihn gerne nenne, anders gesagt: den Dreisatz: „Wie es so weit kommen konnte. Warum jetzt Schluss ist. Was Sie selbst dagegen tun können.“ Der Dreisatz ist sehr beliebt bei Ratgebern, sicher hast auch du ein Buch im Regal, das sich die Wirkung zunutze macht. Schau mal nach und überlege dir dabei doch gleich einen eigenen für dein Buch!

Tipp 4: Der Imperativ
Leser mögen es gern, wenn sie klar und deutlich zu etwas aufgefordert werden, wenn jemand Tacheles redet und sagt, wo es langgeht. Dafür ist der Imperativ ein wunderbares Mittel, wie z. B. in „Jetzt wird nicht lange diskutiert!: Besser, schneller und effizienter in Gruppengesprächen“ von Michael Rossié. Auch Gaby S. Graupner sagt: „Verkaufe dein Produkt, nicht deine Seele: Kunden ernst nehmen – Verkaufschancen erhöhen – Gespräche führen ohne Druck“. (Dreisatz im Untertitel! Gemerkt?) Und Thilo Baum rät uns dringlich: „Komm zum Punkt!: So drücken Sie sich klar aus“. Welcher Imperativ würde sich für dein Buch eignen?

Tipp 5: Reime
Schon als Kind lieben wir Reime. Was sich reimt, das macht Vergnügen. Das wohl bekannteste und erfolgreichste Buch der letzten Jahre, das einen Reim im Titel trägt, ist der Bestseller: „Darm mit Charme“. Zum besonderen Reiz des gereimten Titels kam sicherlich noch der Aspekt hinzu, dass wir Darmthemen eigentlich nicht charmant und witzig finden. Doch hier griff eine große Anzahl an Lesern zu. Fein für den Verlag!

Auch die Musik macht es uns vor, wie angenehm Reime sind: „Er gehört zu mir wie mein Name an der Tür …“, singt Marianne Rosenberg. Musik arbeitet permanent mit Reimen. Hör mal gezielt hin, wenn du das nächste Mal deine Lieblingssongs hörst, und überlege dir, was sich auf dein Buchthema reimen könnte.

Tipp 6: Das Paradoxon
Paradox empfinden wir etwas, das unsere Erwartungen bricht oder (laut Wikipedia) beim üblichen Verständnis der Begriffe zu einem Widerspruch führt. „Wenn du es eilig hast, gehe langsam“ ist ein solches Beispiel von Prof. Lothar Seiwert, seit 2018 auch unter dem erweiterten Titel: „Wenn du es eilig hast, gehe langsam. Wenn du es noch eiliger hast, mache einen Umweg“ neu aufgelegt. Übrigens sind auch in diesem Titel gleich drei Stilmittel „verbaut“: das Paradoxon, der Imperativ und ein abgewandeltes Zitat aus Japan!
Schöner kann Titel-Machen doch nicht sein, oder?

Ich hoffe, ich konnte dich mit diesen Werkzeugen der Profitexter und Journalisten zu vielen tollen Eigenkreationen inspirieren! Nimm dir bei deiner nächsten Kaffee- oder Teepause einfach mal Stift und Papier zur Hand und spiele mit den verschiedenen Mitteln.

Mein Tipp für dich heute: Lerne von den Medien!
Neben der Musikbranche macht es uns auch die Presse jeden Tag vor, wie gut Stilmittel funktionieren, wenn man sie gekonnt einsetzt. Ein Blick auf die erste Seite der Tageszeitung genügt und du findest mindestens ein rhetorisches. Nicht nur ich liebe die Alliteration 😉

Schau ab heute mit einem anderen Blick auf die (Online-)Medien. Lies Artikel-Überschriften und auch Werbeslogans mit dem Bewusstsein, handwerklich etwas lernen zu wollen. Höre aktiver Radio als sonst: Wie ist die Werbung fürs Hören gestaltet? Wie kommt ein gut gemachter Radiospot innerhalb weniger Sekunden auf den Punkt? Lerne von denen, die es täglich tun, und übernimm die Stilmittel, die du am tollsten findest, in dein eigenes Repertoire. Es lohnt sich – nicht nur für die Kreation von Buchtiteln, sondern auch, um im Alltag leichter und schneller auf einfallsreiche Wortspiele zu kommen.

Ich wünsche dir ganz viel Spaß beim Titelbauen. Wir lesen uns in der nächsten Folge wieder, in der es ums mentale Entrümpeln geht. Aufräumen ist nämlich nicht nur in Kommode, Kühlschrank und Co. wichtig, sondern auch im Kopf! (Na, welches Stilmittel verbarg sich im letzten Satz?)

Ich wünsche dir ganz viel Spaß beim Titelbauen. Wir lesen uns in der nächsten Folge wieder, in der es ums mentale Entrümpeln geht. Aufräumen ist nämlich nicht nur in Kommode, Kühlschrank und Co. wichtig, sondern auch im Kopf! (Na, welches Stilmittel verbarg sich im letzten Satz?)

Bis dahin mach es gut, gibt auf dich acht – und schreib dein Buch!

Karen Christine Angermayer
Autorin, Ghostwriterin, Buch-Coach, zertifizierte BAFA-Beraterin

KAREN CHRISTINE ANGERMAYER ist international erfolgreiche Autorin von mehr als 25 Büchern bei 7 großen Verlagen. Als Ghostwriterin und Verlegerin der sorriso GmbH hat sie in den letzten 5 Jahren über 50 Projekte von der ersten Idee bis zum vertriebsreifen Buch betreut. Als Beraterin für Speaker, Trainer und Coaches begleitet sie in den Phasen Dramaturgie, Exposé, Manuskript, Verlagssuche, Kalkulation, Herstellung und Vermarktungskonzepte. Sie ist zertifizierte BAFA-Beraterin und berät Unternehmen zu den Themen Sichtbarkeit, Positionierung, Online- und Offline-Marketing, Funnels und Veröffentlichungen. www.angermayer-sorriso.com