von Karen Christine Angermayer

Wenn man ein Kind bekommt, geht man auf natürliche Weise davon aus, dass es sich entwickeln wird. Das Neugeborene wächst und wächst, und irgendwann kann es laufen und sprechen. Und eines Tages hat es teure Wünsche, an die man im schönen Moment der Zeugung nie gedacht hätte ….
Bei einem Buch ist es ähnlich, zumindest in Teilen. Viele Autoren schreiben ein Buch – und denken nur an das Buch. Sie denken nicht an das, was sich noch alles Schönes daraus entwickeln kann: z. B. ein Online-Kurs, ein Vortrag, ein Seminar, eine Podcast-Reihe, eine You-Tube-Serie, eine Jahresbegleitung für den Kunden …
Als in 2012 mein erster Ratgeber erschien, habe ich einen Fehler gemacht. Ich habe das Buch geschrieben mit dem Ziel „alles Wissen, das in mir ist, aufs Papier zu bringen“. Ich wollte es meinen Kunden in die Hand drücken.
Ein hehres Ziel, alles Wissen zu teilen! Aber blöd für mich – denn die Leser hatten überhaupt keinen Grund, mich noch weiter zu buchen. Es stand ja schon alles im Buch.
Heute würde ich es anders machen. Heute würde ich mir meinen idealen Leser vorknöpfen – du erinnerst dich, Stichwort Affenpipi, darum ging es in einer der allerersten Folgen in dieser Reihe – und würde das Buch UND Produkte, die das Buch umranken, für diesen idealen Leser kreieren.
Ich erinnere mich noch gut, als mich ein potenzieller Kunde anmailte und mich fragte, ob man mich zu diesem Thema meines Ratgebers auch als Seminarleiterin buchen könne. Ich muss dazu sagen, es ging bei diesem Buch nicht ums Schreiben – da hätte ich ein Seminar innerhalb von Minuten aus dem Ärmel ziehen können, sondern es ging um das Thema Urvertrauen. Und dazu hatte ich kein Seminar-Programm!
Und natürlich hätte ich auch dazu sehr zeitnah ein Seminar kreieren können. Ich habe mich einfach hinterher über mich selbst geärgert, dass ich nicht gleich daran gedacht hatte. So hätte ich ein fertiges Konzept schwuppdiwupp aus der Datei ziehen und diesem interessierten Kunden schicken können!
Damals ist das Thema dann versandet … Schade um den schönen Auftrag.

Warum es überhaupt nichts macht, wenn du die gleichen Inhalte in mehrere Formen gießt.
Manche Menschen denken: Jetzt steht ja schon alles im Buch. Jetzt hab ich gar kein Material mehr für weitere Produkte. Doch! Denn keine Sorge, es wird nicht jeder Leser auch gleichzeitig dein Podcast-Hörer, dein YouTube-Abonnent, Käufer deines Online-Kurses … Und wenn doch, umso besser!
Aber es macht den Wert deiner Arbeit nicht kleiner, wenn du die Dinge, die du zu sagen hast, auf mehreren Kanälen sagst. Im Gegenteil. Menschen brauchen Wiederholungen!
Wie oft habe ich schon über das Thema idealer Leser oder „shitty first draft“ gesprochen – und die Menschen werden doch immer wieder gern daran erinnert. Wir vergessen oft das Offensichtliche. Beim Zahnarzt hören wir auch immer wieder, dass wir regelmäßig Zahnseide benutzen sollen und zwei Mal im Jahr zur Zahnreinigung sollen … zack, ist das Jahr vorbei. Und, wie viele Meter Zahnseide hast du benutzt?
Beim Schreiben genauso. Ich lese nach den über 50 Büchern, die ich als Autorin und Ghostwriterin schon verfassen durfte, immer noch gelegentlich in Bücher über die Grundlagen der Dramaturgie hinein. Es inspiriert mich immer wieder aufs Neue – und ich finde manchmal ganz neue Dinge darin!

Ein Buch ist ein Kunstwerk – aber es ist auch ein Unternehmen.
Nicht vergessen wollen wir auch, dass du mit dem Buch Geld verdienen möchtest. Vielleicht nicht mit dem einzelnen Buch an sich, denn dazu sind die Margen in der Verlagswelt zu klein. Da müssen schon Tausende und Zehntausende von Büchern über den Ladentisch gehen … Als Verlegerin stellen sich mir die Nackenhaare auf, wenn DHL schon wieder die Portopreise erhöht, ich aber aufgrund der Buchpreisbindung hierzulande den Ladenpreis des Buches nicht genauso selbstverständlich angleichen darf … Doch wir schweifen ab.
Nicht das einzelne Buch bringt dir Geld – aber es kann dir einen tollen großen Auftrag bescheren. Hinter jedem Buch steht ein potenzieller Kunde. Wenn du ein für ihn passendes Programm oder Angebot in der Tasche hast!
Autoren sind nicht immer unternehmerisch denkende Menschen. Du solltest es sein. Du solltest ein zunehmendes Bewusstsein dafür entwickeln, dass ein Verlag eine mindestens vier- bis fünfstellige Summe in dein Buch investiert, damit es überhaupt laufen und sprechen lernt.
Wenn du Selbstverleger bist, dann weißt du aus direkter Erfahrung, dass einige Euros an Lektoren, Grafiker, die Druckerei usw. gehen, bis das Buch in deinen Händen liegt.
Wenn ein Buch einen so hohen Wert hat – es steckt deine Lebenszeit darin, deine Energie, dein wertvolles Wissen, deine Zeit, dein Geld oder das des Verlags – dann sollte es doch auch die Wichtigkeit haben, wie ein unternehmerisches Projekt behandelt zu werden, oder?
Unser Unternehmen lassen wir ja auch nicht plötzlich links liegen, nur weil wir schon ein paar Aufträge für Kunden ausgeführt haben. Und unser Kind lassen wir auch nicht einfach alleine durchs Leben laufen, nur weil es jetzt laufen kann – wir begleiten es, bis es 18 ist und meist noch viel länger.

Auch dein Buch braucht diese Aufmerksamkeit von dir!
Ich spüre es an den Verkaufszahlen unserer Bücher sehr deutlich, wenn die Autoren ihre Aufmerksamkeit davon abziehen. Weil – jetzt ist es ja da. Jetzt ist es ja in der Welt. Sie haben es eine Weile stolz gezeigt, der Freundeskreis, die Bekannten, die Netzwerk-Kollegen und die Leser da draußen haben auch hoffentlich alle ordentlich zugegriffen – dann werden andere Dinge wieder wichtiger. Zack, gehen die Verkaufszahlen nach unten!
Was eine ganz natürliche Sache ist. Und täglich erscheinen ja auch neue Bücher – unsere Leser ziehen also auch ihre Aufmerksamkeit irgendwann von uns und unserem Buch ab. Meist eher früher als später.
Daher ist es von umso größerer Bedeutung, dass du präsent bleibst. Wachsam, aufmerksam. Dich immer wieder mit deinem Buch verbindest und euch bei deinen Lesern und Kunden in Erinnerung rufst. Mit einem Kurs, mit einem Vortrag, mit einem Video, mit einer neuen Podcast-Folge … Aus deinem Buch kannst du unermesslich viel schöpfen!
Wenn du Selbstverleger bist, kannst du das ganze Buch „verhackstücken“ und alle Inhalte frei in die Welt geben, auf allen Kanälen und in allen Formaten. Verlage mögen das natürlich nicht so gerne … Da helfen Absprachen.

Warum ist es noch wichtig, dass du schon beim Schreiben an weiterführende Produkte denkst?
Ganz einfach: Es erleichtert dir das Schreiben selbst. Es befreit dich von der Last des „Ich weiß gar nicht, wie ich es schaffen soll, das alles zu Papier zu bringen!“. Du musst nicht mehr alles zu Papier bringen. Du kannst dich auf die brennendsten Probleme oder Herausforderungen deiner Leser konzentrieren, seinen „Kittelbrennfaktor“, den er von dir gelöst haben möchte. Und den Rest verpackst du getrost in einen Online-Kurs, in ein Retreat, in ein mehrwöchiges oder mehrmonatiges Coaching, eine Vortragsreihe zum Buch …
Fühl dich also frei. Nichts ist schlimmer als ein Buch, das nicht geschrieben wird, weil einen der Berg an Arbeit erschlägt. Jede Woche treffe ich Menschen, die sich genau damit schwer tun. Eben weil sie – wie ich noch vor 8 Jahren – glauben, dass sie „alles, was sie wissen“ in ein Buch hineinpacken müssen.
Der erfolgreiche Start ins Schreiben gelingt in der Regel leichter, wenn ich weiß: Auch ein Buch von 80 Seiten ist ein Buch. Es muss kein 200- oder 300-Seiten-Werk sein! Diese werden in der Regel eh selten bis zum Ende gelesen.

Dein Leser braucht nicht „das Buch der Wahrheit“ von dir – er möchte einfach deinen Blick auf die Dinge. Nicht mehr und nicht weniger.

Fazit: Denke dein Buch von Anfang an wie ein Business. Baue innerlich weitere begleitende Produkte, Programme und Kanäle auf und befülle sie aus dem Material deines Buches. Es erleichtert dir das Schreiben, wenn du weißt, dass du nicht „alles, was du weißt“ in dein Buch packen musst. Halte deine Aufmerksamkeit auf deinem Buch, auch wenn es schon ein paar Monate oder Jahre auf dem Markt ist. Verbinde dich immer wieder mit ihm. Aktiviere deine Freude daran immer wieder neu, zeig es deinen Lesern, lies ihnen daraus vor und binde dein Buch in deine sonstigen Verkäufe ein. Dein Buch wird es bemerken, dir danken und dich belohnen!

Ich hoffe, ich konnte dich auch mit diesem Beitrag dazu inspirieren, dein Buch auf neue Weise zu denken. Ich wünsche dir ein großartiges Buch (das schönste der Welt, das denken ja auch alle Eltern von ihren Kindern), das bald laufen und sprechen lernt – und das dir jede Menge toller Kunden und Projekte bringt!
Ja, auch ein Buch braucht ab und zu noch mal ein bisschen Budget – das kann Zeit oder auch Geld sein in Marketingaktivitäten. Doch im Vergleich zu den Wünschen der Kinder von heute, glaube ich sagen zu können, dass die Beträge weit darunter liegen.

Wir lesen uns nach einer kurzen Sommerpause meinerseits wieder und ich freue mich, wenn du wieder dabei bist.
Bis dahin lass es dir gutgehen, genieß die Sonne – und schreib dein Buch! (Das geht auch mit Sonne.)

Karen Christine Angermayer
Autorin, Ghostwriterin, Buch-Coach, zertifizierte BAFA-Beraterin

KAREN CHRISTINE ANGERMAYER ist international erfolgreiche Autorin von mehr als 25 Büchern bei 7 großen Verlagen. Als Ghostwriterin und Verlegerin der sorriso GmbH hat sie in den letzten 5 Jahren über 50 Projekte von der ersten Idee bis zum vertriebsreifen Buch betreut. Als Beraterin für Speaker, Trainer und Coaches begleitet sie in den Phasen Dramaturgie, Exposé, Manuskript, Verlagssuche, Kalkulation, Herstellung und Vermarktungskonzepte. Sie ist zertifizierte BAFA-Beraterin und berät Unternehmen zu den Themen Sichtbarkeit, Positionierung, Online- und Offline-Marketing, Funnels und Veröffentlichungen. www.angermayer-sorriso.com