Ich werde immer wieder gefragt, wie ich es in den letzten 11 Jahren geschafft habe, über 30 eigene Bücher und eine ganze Menge Ghostwritings zu schaffen. Und das neben meinen Beratungen, Vorträgen, Seminaren und meiner verlegerischen Tätigkeit. Ich bin zweifache Unternehmerin und zweifache Mutter, die an zwei verschiedenen Orten lebt und arbeitet (die 300 km auseinander liegen). Trotzdem ist es möglich gewesen. Manchmal erscheint es mir selbst wie ein Wunder – aber die Bücher stehen im Regal. Ich verrate dir heute meine Tricks und Kniffe, die am besten funktioniert haben und immer noch funktionieren. Alles, was ich im Folgenden sage, tue ich selbst jeden Tag.
Eins vorweg: Wir alle haben einen prall gefüllten Tag. Viele, die als Speaker oder Trainer arbeiten, sind entweder in Vollzeit ausgebucht und viel unterwegs oder sie haben noch einen Brotjob, haben Familie, haben Kinder, die viermal die Woche durch den halben Landkreis zum Training gefahren werden müssen, haben vielleicht pflegebedürftige Angehörige … Zeit hat eigentlich keiner von uns. Oder?
Wie kommt man also trotzdem an das nötige Quäntchen dieses kostbaren Guts von ein paar Wochen oder Monaten, bis das Manuskript fertig ist?
Eine Stunde ist eine Menge Zeit! Wenn du deinem Buch auch nur eine Stunde am Morgen oder Abend widmest, kommst du mit großen Schritten voran. Wenn du eine Stunde Zeit hast, dann setze dich sofort hin und schreib! Wirf nicht die Spülmaschine oder die Waschmaschine an, ruf nicht beim Finanzamt oder bei der Krankenkasse an. Check auch nicht deine Mails oder google nach einem günstigen Flug- oder Hotelpreis für deinen nächsten Auftrag beim Kunden – dann ist die Stunde gleich flöten. Sie ist weg. Weg! Und sie kommt nicht wieder. Du bist vielleicht nicht allein-allein, aber dein Buch ist allein-allein. Und der Bildschirm leer.
In einem Ernährungsratgeber (Stichwort Bikini-Figur) las ich: „Den Kampf gegen den Hunger gewinnt man nicht mit Willenskraft, sondern mit guter Planung.“ Wie wahr, wie wahr. Beim Schreiben genauso. Finde heraus, welche Zeitfenster du in einer Woche (Werktage und Wochenende gezählt) schmerzfrei freischaufeln kannst. Die Betonung liegt auf schmerzfrei. Doch, es darf auch ein bisschen wehtun, wenn die anderen in der Sonne sitzen – und du am Schreibtisch. Doch dafür hast du hinterher ein Buch und die anderen nicht, ätschibätsch! Ernsthaft: Zeit zum Schreiben kommt nicht von allein. Niemand rauscht vom Himmel herab und schenkt dir ein paar Stunden: „Hier, für dich! Nur zum Schreiben!“ Das wird für immer ein Wunschtraum sein. Autoren schneiden und schnitzen sich seit Jahrhunderten die Zeit für ihre Bücher aus dem Alltag heraus. Wo ist deine Schreibzeit? Welcher Tag, welche Zeit? Täglich wäre sehr gut. 2-3 Mal die Woche auch wunderbar. Mindestens einmal sollte es aber sein, sonst ist die Woche und der Monat rum und somit das ganze Jahr. Ich selbst plane die Schreibzeiten für meine Kunden, denen ich ghostwrite, und für meine eigenen Buchprojekte übrigens immer VOR Beginn des Tagesgeschäfts. Erst nach den Schreibzeiten kommen die Termine. Wenn ich nach einem langen Coachingtag noch an einem Buch arbeite, dann brauche ich ungleich länger, um ins Schreiben hineinzukommen. Einfach, weil in meinem Kopf schon so viele Gespräche herumschwirren.
Du stehst auf, weil der Tag beginnt. Du arbeitest, um Geld zu verdienen. Du kaufst ein, weil du Hunger hast. Du putzt dir die Zähne, damit dich der Zahnarzt bei der Vorsorge lobt. Du schreibst, weil du ein Buch in der Hand halten willst. So einfach ist das. In unserem Tag gibt es „Prios“ und Nebensächlichkeiten. Auch wenn dir ein Buch nicht sofort Geld einbringt – wobei immer die Möglichkeit besteht, dass ein mehrstelliger Auftrag draus wird – auch wenn die Kohle also nicht sofort fließt, lass dein Buch nicht zu einer Nebensache verkommen. Gib ihm für die nächsten 6-8 Wochen eine echte Priorität.
Schreiben ist nicht lebenslänglich. Wenn du weißt, was du sagen willst, und wenn du eine Struktur hast, die dich führt, dauert es wirklich nur wenige Wochen. Bei Ungeübteren vielleicht ein paar Monate. Länger nicht. Es sei denn, du willst hauptberuflich Autor werden. Dann sieht die Sache schon wieder anders aus. Bei mir hört das Schreiben wohl niemals auf. Ich habe mich an den Gedanken gewöhnt. Mein Liebster und meine Kinder auch. Hoffe ich. Mein Sohn schrieb vor Jahren im Kindergarten auf einen Muttertagsbrief in der Zeile „Das mag meine Mama am liebsten“: „Sie sitzt gerne am Computer.“ Ich weiß bis heute nicht, ob ich darüber lachen oder weinen soll. Aber Autor sein sucht man sich nun mal nicht aus.
Schreiben hat für mich eine echte Priorität. Jeden Tag. Wenn ich nicht gerade ghostwrite für andere – dann schreibe ich eigene Bücher. Ich schreibe am liebsten täglich. Ich habe sogar festgestellt: Ich werde richtig unglücklich und unleidlich, wenn ich NICHT schreibe. Denn Schreiben ist auch kreativer Ausdruck. Es ist unbeschreiblich, wenn am Ende eines Tages die ersten Seiten oder Kapitel eines Buches aus dem Drucker kommen …
Ich möchte nicht soweit gehen zu behaupten, dass jeder diese tiefen Gefühle fürs Schreiben hegen muss wie ich – aber den Gedanken der Priorität solltest du dir mal durch die Tastatur und durchs Herz gehen lassen.
Ich könnte auch sagen: Geh später schlafen. Ganz egal, ob du eine Nachteule oder eine Lerche bist, verlängere deinen Tag, wenn er noch nicht genug Stunden hat. Was er ja bei den meisten von uns nicht hat. Ich selbst (früher überzeugte Nachteule) habe mich Ende Februar darauf trainiert, um 5 Uhr morgens aufzustehen. Der Start gelang mir während einer USA-Reise, in der ich sowieso die ersten Tage pünktlich um 4:30 Uhr vom Jetlag aufwachte. Normalerweise hätte ich dann für 1-2 Stunden ein paar E-Mails nach Deutschland geschrieben und hätte mir dann noch mal die Decke über den Kopf gezogen. Dieses Mal dachte ich: Du könntest in der Zeit auch an einem Buch arbeiten, das du in drei Wochen beim Verlag abgeben darfst. Es hat funktioniert. Ich gebe zu, es war nicht immer leicht, um halb fünf unter die Dusche zu tappen und dann schnurstracks mit Laptop und einer Tasse heißem Wasser an den Tisch zu gehen … Im September erscheint das Buch. Schaue ich zurück, dann weiß ich genau: Ich hätte es nie fertigbekommen, wenn ich nicht diese frühen Morgenstunden Ende Februar dazu genutzt hätte. 12 Tage lang. Auch du kannst das schaffen. Inspiriert dazu hat mich übrigens das Hörbuch „Der Fünf-Uhr-Club“ von Robin Sharma. Ich musste es nicht mal zu Ende hören, um zu wissen: Da ist was dran. Wie gesagt, ich war eine eingefleischte Nachteule. Inzwischen stehe ich sogar an den meisten Wochenenden früher auf, wenn mein Partner noch schläft. Ich verkrümele mich dann für 1-2 Stunden an den Schreibtisch – und wenn er die Augen aufschlägt, habe ich schon was geschrieben! Das ist ein tolles Gefühl. Neulich hörte ich von einer österreichischen Autorin, die um drei Uhr morgens aufsteht. Sie schreibt von drei bis sieben – dann lebt sie ihr normales Leben mit ihrem Mann. Probier es aus, zu welcher Tag- oder Nachtzeit auch immer. Verlängere deinen Tag! Der Schlaf sollte dabei natürlich nicht völlig zu kurz kommen. Wer bekennender Netflixgucker ist, weiß, dass auch da schnell die Nacht zum Tag wird. Kündige dein Netflix-Abo, während du an deinem Buch schreibst.
Wer Kinder hat, weiß, dass da nicht immer unbedingt Ruhe im Haus herrscht. Darum mein Tipp für alle, die Kinder, Haustiere oder Ähnliches haben: Mach einen Deal mit deinem Partner, deiner Partnerin oder mit Freunden, dass sie dir die Kinder, Haustiere oder alles, was an die Tür klopft oder Gassi gehen muss, während deinen Schreibzeiten abnehmen. Am besten auch noch den Einkauf, das Kochen, das Putzen … Ich weiß, 100% unseres Alltags kann uns niemand abnehmen. Aber während der einen Stunde oder den 2-3 Stunden, die wir uns gerade mal unserem Buch widmen wollen, sollte das drin sein. Du kannst dich auf andere Weise erkenntlich zeigen. Zum Beispiel, indem du glücklicher und zufriedener bist. Dein Telefon sollte auch unbedingt in einem anderen Raum liegen, Handy am besten auf Flugmodus. Und E-Mails werden erst NACH der Schreibzeit gecheckt. Anne Lamott, amerikanische Schreibtrainerin, schloss sich manchmal in ihrem Arbeitszimmer ein. Sie kam nicht heraus, bevor sie fertig war. Ihre Kinder hämmerten an ihre Tür und schrien: „Das Haus brennt!“ Anne stand nicht auf. Mach´s wie Anne. Bleib eisern. Bleib sitzen. Schreiben ist zum größten Teil sitzenbleiben.
So, damit mache ich Schluss für heute. Denn jetzt darfst du schreiben. Wir lesen uns in der nächsten Folge wieder, die da heißt: „Wie aus einem Buch ein ganzes Business wird“.
Bis dahin bleib dran, lass den Kühlschrank Kühlschrank sein (und die Sorgen auch) – und schreib dein Buch!
Karen Christine Angermayer
Autorin, Ghostwriterin, Buch-Coach, zertifizierte BAFA-Beraterin

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