Wir kommunizieren digital. Doch wichtige Entscheidungen treffen wir nach wie vor analog – oft in Besprechungen oder in Workshops. Wenn es darum geht, mit anderen Führungskräften eine Strategie zu erarbeiten. Wenn es darum geht, ein Projekt neu zu starten und gleich zu Beginn für Energie und Orientierung zu sorgen. Wenn es darum geht, einen Change Prozess mit einer großen Mitarbeiterbeteiligung gut aufzusetzen. Oder wenn es darum geht, gemeinsam den Kundentermin vorzudenken, damit gleich zu Beginn Vertrauen entsteht. Es geht also „nur“ darum, zielgerichtet das Gespräch gleichzeitig mit mehreren Personen zu führen. Einfach nur reden…wenn es doch so leicht wäre.

„Sorry, Gunnar, dass ich erst 10 Minuten später am Platz war. Aber Du weißt ja, wie das bei uns mit Besprechungen ist…“ Diese Aussage einer Kundin ist kein Einzelfall. Besprechungen und Workshops sind in vielen Unternehmen zum Frustfaktor Nr. 1 geworden, weil sie demotivieren und Geld verbrennen. Für die Ursachen habe ich drei Kernthesen identifiziert:

Erstens: Das Thema selbst ist die Ursache. Der Anlass für eine Besprechung ist immer in ein „größeres Ganzes“ eingebunden. Dadurch müssen andere Bereiche einbezogen werden, wodurch die Komplexität sprunghaft steigt. Kaum ein Vorhaben kommt ohne die Unterstützung anderer Abteilungen aus. Aus IoT (Internet of Things) wird „Internet der Themen“: alles hängt mit allem zusammen. Es ist unmöglich, als Einzelner den Überblick zu behalten.

Zweitens: Der Faktor Zeit wird falsch eingeschätzt. Besprechungen beginnen zu spät und enden unpünktlich. Abrupte Änderungen sind allgegenwärtig. Entscheidungskräfte entfernen sich ungeplant aus dem Meeting – Fortsetzung ungewiss. Outlook und Co. sind hilfreiche Erfindungen, bis jemand auf die Idee kommt, den Workshop von 12 bis 14 Uhr anzusetzen, obwohl die Kollegin zuvor bis 12 Uhr im Lieferantengespräch sitzt. Finde den Fehler! Biopause und Nahrungsaufnahme werden dem Zufall überlassen. Planung wird zum Abenteuer, weil smarte Technologien kurzfristige Änderungen jederzeit ermöglichen. Wir sind ja alle „on“.

Drittens: Wir überschätzen die Harmonie der Menschen, besser gesagt die Harmonie der Rollen. Fachübergreifende Zusammenarbeit ist notwendig, um erfolgreich zu sein. Dabei ist es völlig normal, dass unterschiedliche Funktionsträger unterschiedliche Vorstellungen und Interessen haben. Dafür werden sie bezahlt. Um den Konsens herauszufinden und den Dissens klären zu können, braucht es jedoch vor allem eines: angemessen Zeit. Die steht oft nicht zur Verfügung. Sparen an der falschen Stelle.

Jeder Punkt für sich ist bereits anspruchsvoll. Kombinieren wir alle drei Aspekte, entsteht aussichtslose Unübersichtlichkeit. An dieser Stelle ist exzellente Business-Moderation gefragt, damit wir die Komplexität in den Griff kriegen. Besprechungen und Workshops gelingen, wenn ich mich als Moderator zunächst auf die folgenden vier Themen konzentriere:

  1. Rollenklarheit

Von einer Führungskraft erwarten wir klare Entscheidungen. Als Projektleiter soll ich ein gewünschtes Ergebnis liefern. Experten bringen Daten und Fakten ein. Und als Moderator ist es meine Aufgabe, für einen konstruktiven und zielführenden Arbeitsprozess zu sorgen, anders ausgedrückt: zu moderieren. In vielen Fällen sind wir mit einer Doppel- oder gar Dreifachrolle ausgestattet. Rollen definieren sich über die Aufgaben und die Entscheidungsmacht, über die ich an der jeweiligen Stelle verfüge. Und genau darin liegt der Schlüssel für exzellente Moderation. Wir müssen uns bewusst machen, wann wir in welcher Rolle aktiv sind. Damit dieser Wechsel in der Moderation gelingt, muss ich mich bereits vorab mit den unterschiedlichen Rollen auseinandersetzen und mich darauf einstimmen. Und eines sollte uns in der Moderationsrolle immer bewusst sein: Wir sind Dienstleister des Arbeitsprozesses der Teilnehmenden. Unser Ego steht hinten an. Und das ist eine Frage der inneren Einstellung und der Fähigkeit, über sein eigenes laterales Führungs-Verständnis nachzudenken.

  1. Rucksack der Teilnehmenden

Teilnehmende einer Besprechung tragen stets einen unsichtbaren Rucksack. Der Inhalt besteht aus bisher erlebten Erfahrungen, aufgebauter Expertise und mehr oder weniger bewussten Bedürfnissen. Aus dieser Kombination resultiert eine bestimmte Erwartung an das Ziel und den Ablauf der Zusammenkunft. Als Moderator sollte es meine Pflicht sein, mir diese Umstände bewusst zu machen. Nur so kann ich auf die Erwartungen der Teilnehmenden eingehen, und das Ziel weiter im Auge haben.

  1. Thema, Ziel und Nutzen

Selbstverständlich sollte das Thema der Zusammenkunft klar sein. Der Teufel steckt im wahrsten Sinne des Wortes im Detail. Viel zu oft erlebe ich, dass sich Einladende und Auftraggeber schwer damit tun, das Besprechungsergebnis sauber zu benennen. „Wir wollen an der Vision arbeiten“ ist eine Tätigkeit, aber kein Ergebnis. Die Formulierung: „Wir haben ein gemeinsames Verständnis, wofür dieses Unternehmen steht“ ist deutlich messbarer. Vielfach werden Nutzen und Ziel/Ergebnis verwechselt. Die Besprechung liefert ein Ergebnis ab, was im Anschluss den Nutzen erst ermöglicht.

  1. Planung der Moderation

Je kürzer die Besprechung, desto wichtiger ist die Planung, weil ich weniger Zeit habe, die Gruppendynamik zu gestalten. Formulierungen wie „Wir wollen zurück zur Sacharbeit.“ halte ich in diesem Zusammenhang für sinnfrei. Wo Menschen zusammenarbeiten, existieren immer Emotionen. Ob wir wollen oder nicht. Diese gilt es, in der Prozessgestaltung zu beachten. Damit Menschen gut miteinander arbeiten können, benötigen sie eine persönliche Basis, die im Laufe der Zeit ausgebaut wird. Besonders trifft das auf Workshops zu. Viel zu früh wird der Hechtsprung ins Thema vollzogen. Bewährt hat sich dagegen folgendes Muster: Einstieg mit Raum zum geistigen Ankommen, Orientierung zum Thema liefern, Thema bearbeiten, Verbindlichkeiten sichern, Verabschiedung. Diese fünf Phasen sind, jede für sich genommen, nicht besonders kompliziert. Schwierigkeiten bereiten wir uns selbst als Mensch, weil unsere Gedanken nicht den Phasen folgen, sondern den Interessen. Eine im Vorwege erstellte, detaillierte Ablaufplanung liefert mir die Freiheit, im laufenden Prozess flexibel reagieren zu können. Frei nach: Der Plan allein ist nicht alles, aber ohne Planung ist alles nichts.

Der Blick auf den zukünftigen Geschäftsalltag verdeutlicht die Notwendigkeit, lateral führen zu können: Je virtueller wir miteinander sprechen, desto größer ist der Bedarf an professioneller Gesprächsführung in Gruppen, weil der persönliche Kontakt fehlt. Je mehr innovative Ideen in den Markt drängen, desto wichtiger ist eine schnelle Umsetzung mit allen Beteiligten. Und genau dafür benötigen wir eine unterstützende Haltung. Wer sich in digitalen Zeiten auf einen immer größeren Anteil an Projektarbeit (derzeit liegen wir bei 40 % der deutschen Wertschöpfung) einstellen muss, kommt an exzellenter Moderation nicht vorbei. Eine unterschätzte und notwendige Führungsdisziplin des 21. Jahrhunderts.

Nur gemeinsam geht’s. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Ein guter Kontakt im persönlichen Miteinander bildet den Nährboden für gemeinsame fachliche Exzellenz und für Veränderung. Erfahrungen und Erkenntnisse aus über drei Jahrzehnten Vertriebs- und Projektarbeit bekräftigen mich in dieser Haltung.Als Redner, als Moderator und als Berater ist es mein Anspruch, Gemeinsamkeit in jedem Vorhaben zu liefern. Viel Erfolg in Ihren Projekten. www.gunnarmarx.de